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Rechtenbach im Spessart

Kultur - Die Slawonier

Ein Arbeitsteam in "Schlawonien".
Holzhauer
Zur Demonstartion wird ein herrlicher Eichenstamm mit einer Kube gemessen.

Die Schlawonier
Wer waren die Schlawonier?
Wie kamen die Rechtenbacher nach "Schlawonien"?

Die Schlawonier

Holzhauer Ludwig Geist (de Dicker) sitzt in "Schlawonien" vor seiner Hütte.
Die beschaulichen bayerischen Tage gingen zu Ende mit der Gründung des Deutschen Reiches. Das Wirtschaftsleben erblühte, die Industrie entwickelte sich, die Bevölkerung nahm zu, brauchte Wohnungen; viel Holz floß ins Baugewerbe. Trotz weiter Wälder und einer hochentwickelten Forstwirtschaft verbrauchten die Deutschen mehr Holz, als sie erzeugten — unversehens war das Reich zu einem Holzeinfuhrland geworden. Die reichsdeutsche Forstpolitik strebte nach einer ausgeglichenen Holzbilanz. So gesehen hatten sich die Großforstämter alter Ordnung überlebt. Man brauchte auf der Unterstufe überschaubare, gut zu bewirtschaftende Verwaltungseinheiten.
 
Im Reich, vor allem im Osten, lagen weite, unerschlossene Wälder. Deren Eigner konnten in den menschenarmen Gegenden ihr Holz nicht selber einschlagen. Aus dieser Notlage verhalfen ihnen die Rechtenbacher. Unter Führung eines Holzmeisters übernahmen sie die Holzgewinnung im Gesamtakkord. Der Holzmeister als Unternehmer warb die Holzhauer an, stellte sie ein und verlohnte sie. Immer auf der Suche nach Akkordarbeit zogen diese gesuchten, tüchtigen und gutbezahlten Holzmeisterschaften hinaus in die Wälder des Reiches, von den Vogesen bis zum Erzgebirge...
 
Auch die Fichtenputzer gingen auf die Wanderschaft, mit Axt, Wendering und Schäleisen, und verdingten sich bei den Floßholzfirmen. Das Fichtenstammholz, als gesuchtes Bauholz, hatte im Preis stark angezogen. Verfrachtet wurde es immer noch auf dem Wasserweg. Es gab keinen günstigeren Transport als die Flößerei. Das Floß fuhr vonallein, war sein eigenes Fahrzeug, trug keine tote Fracht, konnte obendrein noch beladen werden mit Oblast, wie Brennholz, Daubholz. Auf den Umschlagplätzen am Main, in Kitzingen, Marktbreit, Ochsenfurt, Würzburg, wurden die schmalen Mainflöße gebunden. Die Vorarbeiten leisteten die Fichtenputzer: sie putzten das Floßholz, beilten die Abhiebe bei, entasteten stammgleich, schälten die Rinde. In Mainz wurden die Mainflöße umgebunden in die großen Rheinflöße. Doch noch weiter zogen die Fichtenputzer, immer der Fichte nach, bis in den Bayerischen Wald, nach Oberbayern.
 
Noch weiter herum kamen die "Schlawonier", getragen von den Wellen der reichsdeutschen Hochkonjunktur. Seit sich das Reich mit hochfliegenden Flottenbauplänen trug, ging der Holzhandel auf die Suche nach Schiffsbauholz. Riesige Eichenwälder stockten in der ungarischen Provinz Slawonien. Deutsche Holzhändler kauften das Holz auf dem Stock und ließen es im Unternehmereinsatz einschlagen — eine gefundene Arbeit für die Rechtenbacher Holzhauer. Unter Führung ihres Waldmeisters reisten sie nach Slawonien, lebten in Hütten wie ihre Vorfahren, die Holzhauer der Spiegelhütte, und schlugen die Eichen ein, von Sonnenaufgangbis in die tiefe Nacht.
 
Das Schiffsbauholz wurde auf dem Seeweg bis an die deutsche Zollgrenze verfrachtet. Weil aber Rundholz nur langsam trocknet und im Verhältnis zu seinem Gewicht zu viel Schiffsraum beansprucht, wurde noch im Wald Rinde und Schwarte als unnützer Ballast mit dem Beil abgeschlagen. Deshalb waren die Rechtenbacher "Schlawonier" so gesucht: keine anderen Holzhauer wußten so gewandt das eichene Schiffsbauholz zu beschlagen — eine Fertigkeit die sie von den Lohrer Schiffsbauern erlernt hatten.



 
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Wer waren diese "Schlawonier"?

Schon im 19. Jahrhundert, leider ist die genaue Zeit nicht bekannt, haben deutsche Holz-Großhändler von adeligen Großgrundbesitzern stehende Wälder aufgekauft. Diese Holz-Großhändler hatten Waldmeister in ihren Diensten, die beauftragt wurden, Holzfäller zu verpflichten, um den Holzabtrieb zu erledigen. Diese Arbeiten erfolgten nicht nur im Inland, sondern verlagerten sich immer mehr ins Ausland, vor allem nach Slowenien, das ja bis 1918 zur österreichischen Monarchie gehörte.

Holzhauer Ein Arbeitsteam in "Schlawonien" vor seiner Hütte. Der 4. Mann von rechts ist Josef Franz, de Alt-Ruppert, mit Schürze.
Die "Schlawonier" lebten im Wald, mitten in ihrem Arbeitsgebiet, in einer Hütte.
Damit der Rauch vom offenen Feuer abziehen konnte, wurde im Dach einfach ein Loch freigehalten. Die SchlafsteIlen waren entlang der Wände. Ein Faß Pökelfleisch und ein Faß Rotwein bildeten die Hauptnahrung. Für Fleisch-Nachschub wurde bei Bedarf im nächstgelegenen Dorf ein Schwein gekauft und im Wald geschlachtet: Klemens Ebert erzählte, einmal hätte er einen Mann zum Schweineeinkauf ins Dorf geschickt. Nach drei Tagen sei der Mann zurückgekommen ohne Schwein und ohne das mitgegebene Geld, das dann von dem Lohn dieses Manns abgezogen worden sei. "Doas woar alles nie schlimm, oawer dehemm hoa ich doch demm seiner lamendierenden Fraa, wächerüm ihr Mann so wenich Gäld hodd brochd, nie könne gesoach, doaß ersch mid de Menscher durchbrochd hodd. Denn hoa ich nemm midgenumme." Er erzählte auch, daß Männer dabei waren, die nur ein Paar Socken und nur eine Unterhose dabei hatten. Zu nächtlicher Zeit soll es in der Hütte nicht nur nach Rauch gerochen haben. Die brettartigen Socken und Unterhosen wurden deshalb unter Zwang und Aufsicht gewaschen, damit das Gemeinwohl wieder hergestellt war.

Die Wälder von Slowenien, waren der Hauptarbeitsort der Rechtenbacher Holzfäller. Der überwiegende Teil des Nutzholzes wurde mit Bahn und Schiff nach Deutschland verfrachtet. Großabnehmer waren Schiffsbau-Firmen, auch aus anderen europäischen Ländern. Um vor allem die Schiffstonnage besser zu nutzen, wurden die zu Schiffsplanken bestimmten Stämme in den Wäldern schon vorgehauen. Aufgrund dieser Arbeit haben sich die Holzarbeiter später als Schwellenhauer spezialisiert.



 
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Wie kamen nun ausgerechnet Rechtenbacher Holzarbeiter nach "Schlawonien"?

Holzhauer Rechtenbacher "Schwellemoacher" vor ihrer Hütte in "Schlawonien". Ein Brunnen ist angelegt.
Der Bekanntheitsgrad von Rechtenbach als Holzfällerdorf wird von nicht geringem Einfluß darauf gewesen sein, daß von unserem Dorf relativ viele Ortsbürger bei Holz-Großhandlungen als Waldmeister beschäftigt waren. Es ist deshalb verständlich, daß diese Rechtenbacher Waldmeister aus ihrem Dorf die Holzfäller ausgesucht haben.
Mit nach Slowenien fahren zu können, bedeutete, für einen längeren Zeitraum, sehr oft bis zu einem Jahr, Arbeit zu haben; Arbeit, die höher entlohnt worden ist. Der an sich schon höhere Verdienst steigerte sich noch durch geringe Abzüge, vor allem durch die "Befreiung" von der Rentenversicherung. Diese Vorzüge verursachten den Wunsch bei fast allen Holzfällern im Dorf, mit nach "Schlawonien" fahren zu können. Diese starke Nachfrage führte aber auch zu einer Auslese durch die Waldmeister, die dadurch im Dorf eine starke Position hatten.
Für die Holzarbeiter, die mitfahren konnten, war es auch eine öffentliche Anerkennung. Was zuerst als Vorzug betrachtet wurde, zeigte sich später als Nachteil, in diesen Fällen bei Erreichung des Rentenalters. Mancher Slawonien-Fahrer, wird bei der Rentenauszahlung böse geschaut haben.

Der Beginn der Slowenien-Episode ist nicht bekannt.

Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914 war jedoch das Ende gekommen. Klemens Ebert erzählte, daß er, nach dem Mord von Sarajewo, von der Fa. Mohr, Bad Neustad/Saale, für die er arbeitete, eine Depesche erhalten hatte, mit der Mitteilung, daß der Krieg in Kürze ausbrechen könnte, und er deshalb im Hafen von Split noch schnell ein Schiff mit Holz beladen müsse.
Das mit vorgehauenen Schiffsplanken beladene Schiff konnte noch vor Kriegsbeginn auslaufen. Zielhafen war Rotterdam. Später hat Klemens Ebert erfahren, daß deutsche U-Boote das Schiff im Kanal versenkt hatten. Mit dem für Deutschland und Österreich verlorenen Krieg haben auch die adeligen Großgrundbesitzer ihren Grund und Boden im Ausland verloren. Ebenso war für die Holz-Großhändler der wohl gekaufte, aber noch nicht abgeholzte Baumbestand verloren, was zu sehr starken Schwächungen, zum Teil auch zur Auflösungen von Firmen führte. Erwähnenswert sind noch Verluste von Großhandelsfirmen, die, ohne vorher genaue Waldbesichtigungen durchgeführt zu haben, die stehenden Wälder gekauft hatten, obwohl diese schon durch Insektenbefall oder aus sonstigen Gründen am Absterben waren.

Der Stolz der "Schlawonier" war spürbar, vor allem bei den Waldmeistern.

Aus diesem Stolz ist auch die Aussage von Klemens Schmitt, 1888 geboren, zu verstehen: "ich woar de Jüngsde, där mid in Schlawonie woar." Bei Wirtshausgesprächen, in denen es sich um Begebenheiten aus "Schlawonien" handelte, wurden sich Einmischende abgewiesen: "Du woaschd jao goar nie in Schlawonie, hall's Maul!"
In so einem "Schlawonien-Gespräch" hatte sich einmal "de Grumm-Schuster" eingemischt und wollte das Renommee der "Schlawonier" schmälern. Der "Groawe-Joffel" sagte darauf zum Schuster: "Mer wüsse du bisd'n wieve Kaarle, du hosd en hälle Kobb, oawer uff deim Schduhl dachsde nix. "Mit dem Tod der hochbetagten Bürger Franz Hartung und Klemens Ebert sind die letzten "Schlawonier"-Waldmeister aus einer längst vergangenen Epoche ausgestorben, vergessen dürfen wir diese Männer aber nicht. Die letzten noch bekannten Waldmeister waren:

Franz Hartung
Klemens Ebert
Heiner Sosse
Franz Sosse
Ludwig Geist
Max Bartel
Oskar Herteux
Josef Herteux
Heiner Hartung
Adelbert Hartung
Hermann Bartel

Quelle: Chronik 300 Jahre Rechtenbach



 
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